Skandal: Wie die taz einen mutmaßlichen Mossad-Mord kommentiert

Am Samstag, 21. April 2018, wurde der palästinensische Ingenieur Fadi al-Batsch auf dem Weg zur Moschee in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur ermordet. Er war Mitglied der Hamas und Experte für Raketen- und Drohnenbau. Die Hamas beschuldigt den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad, al-Batsch ermordet zu haben, vermutlich berechtigt. Diese Art Dinge sind für Israel und den Mossad völlig gewöhnlich:

  • In seinem Beitrag von 2012 weist Spiegel-Online auf nicht weniger als vier Mossad-Morde an iranischen Wissenschaftlern hin.
  • Der israelische Autor Ronen Bergman hat etwa 3.000 Mossad-Morde recherchiert. Besonders spektakulär: Der Fall Mahmud Mabhuh in Dubai, 19. Januar 2010.
  • Der Mossad mordet auch in Deutschland:

Das ist die eine weltweite Realität.

Die andere ist der öffentliche UMGANG mit diesen Morden. Und hier schießt die Berliner „taz“ soeben den Vogel ab: Die Israel-Korrespondentin Susanne Knaul erklärt: „Der schlimmste Feind für die Menschen in Gaza ist nicht Israel, sondern die Hamas.“ Das ist deshalb so beeindruckend, weil Israels wohl bestallte und geübte Propagandisten (bisher) nicht wagen könnten oder würden, so aufzutreten. Aber Knaul schafft das – im letzten Absatz. Und ganz verblüffend ist ihre Erklärung: „Der Gazastreifen hat reiche Gasvorkommnisse, kilometerlange Sandstrände, die touristisch erschlossen werden könnten, und genug Sonne, um die zwei Millionen Menschen autonom mit Strom zu versorgen, würde man nur in die entsprechende Technik investieren.“

Und warum klappt das nicht so recht, obwohl Israel doch nur darauf wartet, die lieben palästinensischen Nachbarn auf Wolken und Rosen zu betten? Knaul lässig: „Eine Abkehr von der Gewalt und vom Kampf gegen den jüdischen Staat würde ausreichen, um die Blockade zu beenden. Nur mit dem Terror aufzuhören, würde Kairo schon reichen, um die Grenze zu Ägypten wieder zu öffnen.“

Wir erinnern uns kurz:

  • Als Juden und Muslime sich bei Aufkommen des Zionismus Ende des 19. Jahrhunderts in Palästina nach jahrhundertelangem friedlichem Zusammenleben zu gut verstanden, schossen die Zionisten nachts von den Dächern auf beide Seiten.
  • In der Nazizeit arbeiteten Zionisten und Nazis an der Versorgung Palästinas mit Menschen jüdischen Glaubens bestens zusammen: über „SS-Obersturmbannführer“ Adolf Eichmann und „SS-Standartenführer“ Kurt Andreas Ernst Becher. Becher war ein kluger Stratege und lebte bis zu seinem Tod 1995 sehr vermögend und völlig unbehelligt als prominenter Kaufmann in meiner Heimatstadt Bremen. Als Ausdruck seiner Nazi-Gesinnung fuhr er einen goldfarbenen VW „Käfer“ – als Erinnerung an die goldene Nazizeit, die ihn reich machte. Für uns heute wichtig: Juden, die nicht gewillt waren, sich nach Palästina verschiffen zu lassen, wurden von den Zionisten im vollen Bewusstsein der fürchterlichen Konsequenzen zuallermeist nicht freigekauft, auch verzweifelte Appelle halfen nicht.
  • 1947 beschloss die UN-Vollversammlung mit großer Mehrheit die Teilung Palästinas – obwohl sie das Recht dazu selbstverständlich nicht hatte.
  • 1947-49 vertrieben oder töteten Einsatzkräfte des jungen Staates Israel oder deren Vorläufer etwa 800.000 Palästinenser. Zum Zeitpunkt des Teilungsbeschlusses 1947 war allen beteiligten Politikern klar, dass die Zionisten diese Entwicklung lange und gründlich geplant hatten. Der Beschluss war den Zionisten nur das Sprungbrett für sehr viel mehr.

HEUTE sprechen Israels Diplomaten in privaten Gesprächen und öffentliche Kommentatoren in großen Medien offen über den Plan, „die restlichen Palästinenser“ aus Palästina wegzusiedeln. Das ist, was ihnen blüht, sollten sie sich entwaffnen lassen und/oder ihren berechtigten Widerstand gegen die widerwärtige Unterdrückung durch Tel Aviv aufgeben.

Konsequent erklärt Knaul Israels Motivation für den Mord an al-Batsch: „Im Juni 2006 gelang den Islamisten ihr bislang größter strategischer Erfolg, als sie den Soldaten Gilad Schalit durch einen Tunnel verschleppten und erst Jahre später im Tauschhandel für über Tausend in Israel inhaftierte Hamas-Aktivisten wieder freigaben. Israels Sicherheitsapparat reagierte mit der Entwicklung elektronischer Sensoren und mit dem Bau einer unterirdischen eisernen Mauer, die die Gefahr bannt. In der Konsequenz ändert die Hamas ihre Strategie, lässt vom Tunnelbau ab und konzentriert sich stattdessen verstärkt auf den Angriff mit Raketen und Drohnen.“ Was fehlt, ist eine Äußerung, die klarstellt, dass Israel über die eingangs erwähnten Mossad-Morde den Nahost-Krieg einseitig weltweit exportiert – und dass dies gegen internationales Recht gleich mehrfach verstößt. Das ist uns selbstverständlich klar, wenn wir ANDERE Länder beschuldigen, ihre Geheimdienste bei uns oder anderswo in aggressive Auslandseinsätze zu verwickeln. Nur im Fall Israel gelten, wie so häufig, offenbar andere Regeln.

Grundsätzlich bleibt in der Beurteilung der redaktionellen Fehlleistung der „taz“ hinzuzufügen: Wenn ein Medium in einem Konflikt Korrespondenten aus einem der beteiligten Länder zum Konflikt Stellung nehmen lässt, wird vermutlich eine parteiliche Ansicht für das betreffende Gastgeber-Land herauskommen, sonst könnte der oder die Betreffende wohl kaum noch vernünftig arbeiten. Wer also den Israel-Korrespondenten über Palästinenser-Fragen urteilen lässt, wünscht offenbar solche einseitigen Stellungnahmen. (Gleiches gilt beispielsweise für Kaschmir-Berichterstattung aus Indien.)

Für Frau Knaul erwarte ich eine hervorragende Karriere – außerhalb der „taz“, die langsam dahinsiecht.