Putin redet Klartext: Im Westen wackeln die Wände

Das Timing ist immer perfekt: Diesmal wählte Russlands Star-Präsident das Jahrestreffen des von ihm gegründeten Debattierclubs „Valdai“ in Sotschi, um dem Westen eine volle Breitseite seiner Weltsicht vor den Bug zu pfeffern. Hier nur die wesentlichen Punkte: Es ist schlimm, wenn so eine Lektion des großen Strategen und Taktikers damit anfängt, dass er vor „unbedachten Schritten“ warnt. Und es ist typisch Putin, bei aller Kritik immer auch den gemeinsamen Anknüpfungspunkt zu sehen. Denn insgesamt wolle er ja keine Anklagerede halten, sondern zur Zusammenarbeit auffordern. Auf jeden Fall stellt er erneut klar, dass es ihm keineswegs um eine Abkehr von Europa gehe. Grundsätzlich beanspruche Russland weder eine Führungsrolle noch irgendeine Sonderrolle – eine klare Kritik an den USA, die beides um jeden Preis festhalten wollen; Putin sagt: „Die USA wollen die Welt auf sich zuschneiden“. Das US-Diktat lasse jedoch Konflikte eskalieren. Das Weltsicherheitssystem sei geschwächt, stellt Putin fest. Auch deshalb besteht Putin auf weiterem Abbau nuklearer Arsenale; das fällt ihm leicht, denn Russland hat hier soeben mit den USA gleichgezogen. Kluge Idee: Wechselseitige Abhängigkeit habe nichts Bedrohliches. Und Putin ist sich sicher: Europa wird nie auf russisches Gas verzichten – weil’s schlicht zu teuer käme. Hoffentlich behält er recht.

Und dann hat es sich heute zufällig so ergeben, dass eine ganze Handvoll Meldungen darauf hindeuten, dass der Westen soeben gewaltig den Kürzeren zieht, als ob eine höhere Macht geplant hätte, dass Putins Bemerkungen soeben mit passenden Weltnachrichten hätten unterstrichen werden sollen: Zuoberst: China eröffnet ein Konkurrenzinstitut zur Weltbank. Oh, ja, gut‘ Nacht schon mal an die ALTE Weltbank. Russland hat heute an der bereits 2008 geschaffenen Petersburger Rohstoffbörse erstmals Gas versteigert. Ohne US-Dollar versteht sich. Syrien will eine Freihandelszone mit Russland – und Putin erklärt parallel beim Valdai-Treffen, dass die vielen Sanktionen die Flucht aus dem US-Dollar beschleunigten. Merkel wird unterdessen nervös, weil der Ukraine-Streit immerzu eine Drohung mit einem kalten Winter in deutschen Wohnzimmern bedeutet. Merkels sonniger Vorschlag: EU-Steuerzahler blechen für die Schulden der Ukraine. Super! Das passt doch gut zu diesem anderen Fass ohne Boden, das uns noch viel teurer kommt: Bankenrettung in Europa mit deutschem Steuergeld! Ist doch klar: Wir ham’s ja – und Schäuble hat die Total-Immunität als ESM-Gouverneur. Schlau, nicht wahr? Banken, die beim angeblichen „Stress“-Test durchgefallen sind, 25 von 130, können endlich wieder aufatmen. Schönes Wochenende auch! Problem: Der Test war ungefähr so stressig wie Probehusten beim Arzt.

Eine Frage noch: Was sind eigentlich „schlechte Vorzeichen“?

 

Aufzeichnung Putin-Veranstaltung – drei Stunden!: http://youtu.be/9F9pQcqPdKo

Foto: © RIA Novosti. Mikhail Voskresensky