Merkels Reisediplomatie: Aufschub & Propaganda zwischen Hoffen & Bangen

Eines ist sicher: Kanzlerin Merkels jetzige Reisediplomatie, von Kiew/Moskau über München in die USA/Kanada/Weltbank nach Minsk kann nicht viel Neues oder Substanzielles bringen. Im Hintergrund steht fest:

– Obama ist bislang der schwächste Präsident der letzten 100 Jahre US-Geschichte

– das mafiotisch strukturierte, globale Konzern-Netzwerk bestimmt auch über Washington – und die Finanzmafia hat die bisher stärkste Beteiligung, die es je in einer US-Regierung gab

– eine gewaltige Finanzkrise – oder ein Crash – steht bevor – und die Mafia bleibt weiterhin fest entschlossen, die Welt eher in einen Krieg zu verwickeln als einen Offenbarungseid mit angeschlossenem Machtverlust zu durchlaufen

– die willfährige US-Opposition wacht mit Argusaugen darüber, ob Obama wieder „weich“ wird.

Russland weiß, dass jedes weitere Zugeständnis in dieser Lage nur weitere und noch aggressivere Angriffe und Attacken nach sich zieht, mit steigenden Schäden und Bedrohungen. Putin wird also weiterhin freundlich zuhören, seine bekannten Standpunkte äußern, kleine Konzessionen machen und Ideen äußern, die Washington nicht zufriedenstellen können – und er wird abwarten, bis sich das westliche Tänzchen erschöpft. Russland wird, im vollen Bewusstsein der historischen Wichtigkeit dieser Auseinandersetzung, bereit sein, den Gürtel noch wesentlich enger zu schnallen. Westliche ‚regime change‘-Aktivitäten fallen als solche auf; wer mitmacht, gerät mit zunehmender Automatisierung in den Verdacht des Verrats – und so schaden diese Spielchen dem Westen eher als dass sie seinen politischen Ambitionen weiterhelfen.

Die westeuropäischen Führungen benötigen ebenso offenbar wie bedauerlicherweise die Aussicht auf einen großen Krieg bis hin zum Atomkrieg, um sich endlich der eigenen europäischen Interessenlage und der Gegensätze zu US-amerikanischen Interessen bewusst zu werden. Manche der alten schlechten EU-Gewohnheiten gegenüber Russland sind so tief verwurzelt, dass existenzielle Bedrohungslagen benötigt werden, um sie aufzubrechen. Die russische Führung ist sehr wohl in der Lage, mit diesen Herausforderungen fertig zu werden – über die west- und mitteleuropäischen bin ich mir da nicht so sicher.

Grundsätzlich gilt: Die bisherige US-europäische Einheit ist nicht mehr zu halten, solange die USA auf dem Standpunkt stehen, man könne die europäischen Bauern auch notfalls ein bisschen opfern. Merkels Anstrengungen könnten immerhin bewirken, dass eine nie dagewesene Abfolge diplomatischer Aktivitäten einsetzt, ein gewaltiges Ringen vor und hinter den Kulissen, eine Art Showdown. Am Ende wird der Westen entweder zu akzeptieren lernen, dass aus Russland keine weiteren Zugeständnisse herauszuquetschen sind – und damit Russland als ebenbürtigen, gleichwertigen Partner auf Augenhöhe annehmen – oder sich für den Krieg entscheiden müssen, mit der furchtbaren Option eines atomaren Konflikts, an dessen Ende alle mit entsetzlichen Zerstörungen zu rechnen haben, auf allen Seiten.

NOCH haben wir alle Chancen. Jetzt geht es darum, diese zu wahren. Deswegen werde ich immer dann, wenn westliche Friedensangebote zu kurz greifen, sinnlose Lügenszenarien und Bedrohungsblasen aufgebaut werden, aus diesem ebenso elenden wie gefährlichen und in Wahrheit abenteuerlichen Mumpitz ein wenig die heiße Luft herauslassen, wie am Freitag (6. Februar) aus Merkels ungeeignetem Moskauer Angebot.

Nur Tatsachentreue und politischer Anstand können uns alle retten. Kurzsichtiges Manövrieren könnte zu kurz greifen – und dann rutscht am Ende die ganze Fuhre ab in den nächsten großen Krieg.

IRIB-Interview: 9. Februar 2015: http://german.irib.ir/analysen/interviews/item/276982-interview-mit-christoph-hörstel