IS-Krieg: Angriff auf die Türkei, Unterjochung nicht US-freundlicher Kurden und anderer Völker oder Staaten

Da trainieren wir Kurden im Irak, die Peschmerga – und ausgerechnet die hatten der Türkei in der Vergangenheit immer wieder Anlass geboten, Peschmerga-Stellungen im Irak zu attackieren, zuletzt 2007 und 2011. Ist das nicht faszinierend? Vor einigen Tagen hatten die Peschmerga bereits einen irakisch-syrischen Grenzposten übernommen. Das erscheint wichtig, wenn man bedenkt, dass Iran, Irak und Syrien in der Vergangenheit eine Achse gebildet haben – die Assad unterstützt hat. Auch wegen der ständigen iranischen Lufttransporte mit Nachschub für Assad über irakisches Territorium war schließlich ein „regime change“ in Bagdad notwendig geworden: Maliki war zu Teheran-freundlich. Inzwischen bringt der IS-Krieg die Kurden in der Türkei gegen die dortige Regierung auf, überall, auch in Deutschland, prügeln sich Kurden mit Türken, Erdogans Burgfriede von Ankara mit Kurdenchef Öcalan steht vor dem Scheitern.

Wenn man bedenkt, dass die Bilderberger beim letzten Treffen vermutlich den „regime change“ in Ankara vorbereiten halfen, nimmt der ganze IS-Kampf interessante Züge an.

Was stimmt jetzt: Kämpft die Türkei wirklich „zusammen“ mit den USA gegen IS? Oder sieht es vielmehr so aus, dass ALLE Schlüsselbeteiligten versuchen, aus der IS für sich das jeweils Beste herauszuschlagen? Russland mahnt erneut an, mit Assad zusammenzuarbeiten, um IS zu bekämpfen: Die USA denken selbstverständlich nicht daran. Hilfsweise bemängeln die Russen die nicht vorhandene Rechtsgrundlage für den IS-Kampf – mit Recht; und warnen davor, das Ganze zum Deckmantel für „regime change“ Operationen zu machen, das genau ist jedoch geplant. Die Türkei hatte hingegen den Sturz Assads zur Vorbedingung für den Entsatz von Kobane gemacht; auch das ist nicht im Sinne der USA, die vor einem türkischen Frieden in Syrien vielmehr US-amerikanisch gesteuertes Chaos für dieses seit 2011 geschundene Land vorgesehen haben – also wird Kobane vermutlich fallen, weil ja die USA auch gern die Türkei am Pranger sehen… Wenn nun die grüne „Berufsbetroffene“ Roth gegen die Türkei schimpft, landet sie, selbstverständlich rein zufällig, exakt auf der richtigen, der amerikanischen, Position.

Die IS betreiben einen sehr lukrativen weltweiten Handel mit eroberten Rohstoffen. Die USA könnten das binnen Minuten unterbinden. Kleiner Schönheitsfehler: Das genau tun sie NICHT. Aus der Türkei kommen viele Kämpfer der IS, Erdogan könnte das auch zu unterbinden versuchen – allerdings ginge das sehr schwer, doch er tut auch nichts. Doch Kobane IS-frei zu halten, das wäre wirklich leicht für die Türkei – und daran entzündet sich die Wut der Kurden, die eindeutig die Türkei destabilisiert. Dann aber würde Erdogan die syrischen Kurden unterstützen, die Assad mit mehr Autonomie ausgestattet hatte, die IS erfolgreich in Schach gehalten hatten – und allerdings auch türkische Kontrollversuche abgewehrt. Mithin: Der IS-Kampf um Kobane droht die schöne Regionalgroßmacht-Strategie der Türkei zu stören. Da kann Erdogan aus seiner Sicht nicht einfach den Kurden helfen.

Mich erinnert das Ganze stark an das Tauziehen um die Taliban in Afghanistan, wo die Unterstützung zum Teil auch sehr intrigant aus der Nato kam – und sich ausdrücklich gegen Nato-Partner richtete. Das hat mir ein Taliban-Unterführer 2007 in Kabul berichtet. Das Massaker von Kundus 2011 lässt sich auch als erfolgreicher deutscher Versuch werten, die USA in Luftschläge gegen Zivilisten zu verwickeln. Kleiner Racheakt dafür, dass die USA 2001 die damalige Bundesregierung in den absolut unpopulären Einsatz und danach jedes Jahr zum Aufstocken der deutschen Truppen dort zwangen*? Der damals verantwortliche Oberst Klein wurde inzwischen General, die US-Piloten wurden mittelschwer bestraft, sie hatten in ihrem Einsatz mehrfach gezögert und nachgefragt, ob die von den Deutschen behauptete Lagemeldung wirklich zutreffe.-  Wissen wir solche Dinge? Nein. Aber sie geschehen, sie lassen sich nicht von der Hand weisen.

Insgesamt nützt die Sache ausgesprochen eindeutig den regionalen Chaos-Bestrebungen der USA, die wieder einmal zu weit weg sind, um an der eigenen Bevölkerung die Konsequenzen ihres verheerenden Treibens zu spüren. IS überlebt, weil die Gegenkräfte sich nicht einig sind – und die Unterstützer stark.

s. meine Buchveröffentlichung: „Sprengsatz Afghanistan“, München 2007